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Dokumentation Zickenkrieg im Märchenwald

Diesmal wollte ich etwas anders machen. Bisher hatte ich in meinen Theater – AGs immer gemeinsam mit den Kindern Stoffsammlungen gemacht und dann nach und nach angefangen zu proben. Nach einem halben Jahr war der Text meist fertig und erst dann konnte man tiefer in die Probenarbeit einsteigen. Ich dachte mir, wenn ich schon zu Beginn einer Theater AG einen fertigen Text habe, kann ich ein viel aufwändigeres Theaterstück auf die Bühne bringen, weil wir viel mehr Zeit zum Proben haben würden. Wenn ich das dann noch mit den Protagonisten aus „das verrückte Showrestaurant" umsetze, die ja schon viel Erfahrung haben, kann das Stück eine Qualität bekommen, die alles bisher Präsentierte in den Schatten stellt … Ich weiß, wie das klingt: „Eher ehrgeizig als pädagogisch.“ Ist es auch!

 

Ich las mir verschiedene Märchen der Brüder Grimm durch, um zu sehen, welches am interessantesten mit den Schülern umzusetzen sein könnte. Aber die waren mir alle zu kurz und diesmal sollte es ja etwas Größeres sein. Dann kam ich auf die Idee, zwei Märchen miteinander zu kombinieren. „Rotkäppchen und die sieben Zwerge“ schoss es mir durch den Kopf. Da ich wirklich an den Ausspruch „der erste Gedanke ist der beste Gedanke“ glaube (Aber nur in kreativen Prozessen, nicht im Verlaufe von Ehestreitigkeiten), wurde dies der Arbeitstitel für das nächste Projekt. Um dem Prinzip der Partizipation gerecht zu werden, holte ich mir noch ein paar frische Anregungen von den „Showrestaurant“ Kindern, indem ich sie fragte, was alles passieren könnte, wenn sich die Protagonisten der beiden Märchen über den Weg laufen.  Dann fing ich an zu schreiben. Ich setzte zuerst einmal die Originaltexte der verschiedenen Märchen im Reißverschlussverfahren Absatz für Absatz hintereinander.

 

Rotkäppchen Absatz 1

 

Schneewittchen Absatz 1

 

Rotkäppchen Absatz 2

 

Schneewittchen Absatz 2 usw.

 

 

 

Man kennt das Prinzip ja aus dem filmischen Bereich. Erst werden die Hauptprotagonisten dem Publikum vorgestellt, dann beginnt die Handlung Fahrt aufzunehmen und später begegnen sich die beiden um ihre Schicksale miteinander zu vermischen. Die Originaltexte der Brüder Grimm wollte ich abwechselnd von zwei Erzählern vorlesen lassen. Auch manche Dialoge startete ich mit den Originaltexten und ließ diese dann in selbst erdachte Texte hinübergleiten.

 

Beispiel: (Originaltexte sind kursiv)

 

Königin: Spieglein, Spieglein in der Hand, wer ist die Schönste im ganzen Land?

 

Spiegel: Frau Königin, Ihr seid die Schönste im Land.

 

(Großes Licht aus und Spot auf Lydia)

 

Erzähler 2: Da war sie zufrieden, denn sie wusste, dass der Spiegel die Wahrheit sagte. Schneewittchen aber wuchs heran und wurde immer schöner, und als es zehn Jahre alt war, war es so schön wie der klare Tag und schöner als die Königin selbst. Eines Tages fragte die Königin wieder ihren Spiegel.

 

(Schneewittchen belauscht die Königin)

 

Königin: Spieglein, Spieglein in der Hand, wer ist die Schönste im ganzen Land?

 

Erzähler 2: … so antwortete er:

 

Spiegel: Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier …

 

Königin: (selbstzufrieden) War ja klar.

 

Spiegel: … aber Schneewittchen ist tausendmal schöner als Ihr.

 

Königin Waaaaas?

 

Spiegel: (eifrig) Ja. Und außerdem …

 

Königin: Außerdem interessiert mich nicht. Ich werde Schneematsch aus diesem Kind machen und ich habe auch schon eine Idee.

 

Spiegel: Ist ja gut, aber …

 

Königin: Kein aber. Die mache ich fertig! (geht ab)

 

Ich konnte diesmal zwar nicht wissen, wer welche Rolle spielen würde, aber es half mir beim Schreiben enorm, die Figuren in meiner Phantasie mit den Protagonisten aus dem Showrestaurant zu besetzen.

 

Nachdem wir also „Das verrückte Showrestaurant“ abgespielt hatten, öffnete ich meine Theater AG neu und alle meine alten Schauspieler sowie mehrere begeisterte Neu - Schauspieler aus den Parallelklassen liefen auf. Außerdem kam Lidia, eine neue Mitschülerin aus meiner „Schauspielerklasse 5c“ dazu. Erst einmal sah es so aus, als  ob ich keinem der Kinder eine Doppelbesetzung in diesem personalintensiven Stück geben musste. Ich spendierte ihnen also eine Autorenlesung, in der ich selbst sämtliche Rollen mit verschiedenen Stimmlagen vorspielte und schürte damit ihr lachen und ihre Begeisterung. Allerdings kamen rasch Animositäten zwischen den Neuankömmlingen und den alten Hasen auf, gegen die ich machtlos war, weil diese sich auf dem Schulhof und nicht bei den Proben entluden. Die „Neuen“ blieben also fern (Bis auf Lidia) und ich musste schließlich doch einige Rollen doppelt besetzen. Das war aber kein Problem. Denn der Spiegel, der Jäger und der Wolf hatten keine gemeinsamen Szenen mit den Zwergen und konnten somit alle drei eine zusätzliche Rolle als Zwerg übernehmen. Sollten sich aber doch noch Kinder entscheiden, nachträglich in die Theater AG einzusteigen hatte ich immer die Option, ihnen eine Rolle als Zwerg zu geben. Schon beim Schreiben war mir klar, dass ich jeden Zwerg mindestens eine interessante Charakterisierung mitgeben musste, damit sie sich nicht wie Statisten fühlten.

 

Probleme bereiteten mir die Rollen der Erzählerinnen. Ich brauchte dafür richtig gute Vorleserinnen, die auch in der Lage waren, den Erzählerrollen einen gewissen Pepp zu geben. Lidia hatte zwar (noch) nicht den Pepp, aber sie war klug, fleißig und konnte gut lesen. Meryem war beim Showrestaurant der Shooting Star, wollte aber nicht die Vorleserin sein, sondern Teil des Märchens. Sie begriff einfach nicht, dass eine Rolle immer so gut ist, wie der der sie spielt und sie das Potential hatte, aus dieser scheinbar uninteressanten Rolle viel rauszuholen. Dann kam mir aber die Idee, aus den Erzählern Märchenelfen zu machen und für Selbige eine eigene Szene zu schreiben. Das kam schon besser an. Später sollte sich aber herausstellen, dass Meryem damit nicht wirklich zufrieden war. Sie gab nicht mehr alles bei den Proben. Manchmal war sie willig ihr Talent zu zeigen und manchmal spielte sie extra schlecht und lustlos. Das wurde sehr anstrengend. Meine Vermutung ist, dass sie gerne eine der vermeintlichen Hauptrollen spielen wollte und beleidigt war, dass sich der Wunsch nicht erfüllte. Lidia hingegen war dankbar für alles was sie machen durfte und hatte rasend schnell ihre Texte drauf.

 

Nach einigen Monaten kamen noch zwei weitere Mädchen aus unserer Klasse hinzu, die bisher Außenseiter waren und sich jetzt in die Klasse zu integrieren schienen. Sie hingen endlich mal mit den anderen Mädchen ab und wurden unzertrennlich. Plötzlich genossen es die Mädchen aber mehr, auf dem Schulhof zusammen abzuhängen, als zu den Proben zu kommen. Erst hörte ich nur gerüchteweise, dass einige Mitspieler aussteigen wollten. Als es dann zur Aussprache kam, ging ein Finger nach dem anderen hoch. Sieben Mädchen und zwei Jungen wollten aussteigen. Ich war total verzweifelt, enttäuscht und wütend wegen dieser Kettenreaktion, zumal ich wusste, dass einige von ihnen auf ihre Mitspielerinnen eingeredet hatten, damit diese ebenfalls ausstiegen. Aber es half nichts. Ich ließ sie gehen. Übrig blieben die Gangster aus dem Showrestaurant (Lukas und Jacob) und die drei Mädchen, die im wahren Leben die Schnatterhühner waren (Charlene, Alina und Lidia). Diese Damen waren unzertrennlich. Sie gehörten nicht zur „coolen“ Fraktion der Klasse und waren auf der Bühne bisher eher unauffällig. Charlene hatte ein paar kleine qualitative Fortschritte im „Showrestaurant" gemacht und im neuen Stück eine kleine Rolle als Rotkäppchens Mutter und als Zwerg innegehabt. Lidia war Lidixa die Märchenelfe und Alina spielte das Rotkäppchen. Alina war zwar auf dem Schulhof die Extrovertierteste und Verrückteste von allen, aber auf der Bühne kam sie einfach nicht aus sich heraus. Das was sie auf dem Schulhof zeigte, war auf der Bühne leider nicht reproduzierbar. Jacob und Lukas waren treue Seelen und doch nicht annähernd so witzig wie Youssef, der ja auch ausgestiegen war. Youssef sollte ursprünglich den Spiegel spielen. Diese Rolle war ihm auf dem Leib geschrieben.

 

Hivda sollte Zwerg NR 4 spielen, der sich am Ende als „die schönste Zwergin im Lande“ herausstellt und vom Prinzen geheiratet wird. Klein, niedlich und rotzfrech … aber leider nicht bereit, weiter mitzumachen.

 

Ich hätte gern hingeschmissen, brachte es aber wegen der fünf übrig gebliebenen Spieler nicht fertig.

 

Also Plan B – wie so oft. Vielleicht finden sich ja sieben Kinder aus einer anderen Klasse, die bereit sind die Rollen der Zwerge zu übernehmen. Ich kürzte das Stück und verteilte die Rollen um, ohne die Zwerge zu berücksichtigen. Mein Traum vom großen Erfolg war ohnehin gestorben.

 

Die Rollen Meryxa und Lidixa wurden mangels Personal gestrichen.

 

Lukas spielte weiter den Jäger und übernahm außerdem den Prinzen. Ich musste nur eine Szene leicht umschreiben, so dass Prinz und Jäger nicht mehr gleichzeitig darin vorkamen.

 

Jacob spielte weiterhin den Wolf und übernahm außerdem den Spiegel. Da Jacob nicht so gut Text lernen konnte, strich ich eine Spiegelszene vollends und kürzte den Wolf - Text.

 

Alina spielte weiterhin das Rotkäppchen.

 

Charlene übernahm die Rolle des Schneewittchens.

 

Dafür übernahm Lidia von Charlene die Rolle von Rotkäppchens Mutter und zusätzlich die böse Königin. Ich traute ihr das eigentlich nicht zu, da sie viel zu gutmütig und überhaupt nicht facettenreich war, aber mir blieb nichts anderes übrig. Es reicht ja am Ende eine Aufführung im kleinen Kreis, also was solls?

 

Wir starteten die neuen Proben ohne große Erwartungen und ich schaute mich nach Zwergen um … und wurde fündig. Hammermäßig fündig! Es war wie ein Wunder. Ich sprach eine Kollegin an, ob es in ihrer vierten Klasse nicht ggf. ein paar theaterinteressierte Kinder gab. Sie meinte daraufhin (gutmütig) schnippisch: „Natürlich, aber uns hatte damals niemand Bescheid gesagt, als du mit der AG angefangen hattest.“

 

Ich startete eine Leseprobe mit den neuen "Bewerbern" und stieß auf hochgradig begeisterungsfähige Kinder, die sofort bereit waren sich hineinzuknien und auch Text zu lernen. Manche kamen gerade erst aus der Willkommensklasse und konnten noch nicht so gut Deutsch, aber sie waren bereit zu arbeiten und alles zu geben. Es war ein Traum. Ich holte sie, so oft es ging, aus dem Unterricht und arbeitete mit ihnen Satz für Satz durch, damit sie auch die Betonungen richtig hinbekamen.

 

Beispiel: Wie bitte? Bist du etwa DAS Schneewittchen? Alaa (Ein Mädchen) hatte große Probleme DAS so zu betonen, dass es den Sinn des Satzes traf. Wir hatten über eine Stunde daran gearbeitet, aber als sie es endlich draufhatte, war sie stolz wie Bolle. Zwerg 4 war noch kleiner, niedlicher und rotzfrecher als Hivda es jemals gewesen war. Jeder einzelne Zwerg war auf seine Weise ein Riesengeschenk. Sie fielen auf dem Schulflur ständig über mich her, wann es denn endlich mit den richtigen Proben losgeht und wann sie denn endlich mit Schneewittchen zusammenspielen dürfen. Als es soweit war, hatten sie den „alten“ Mitspielern nochmal einen Motivationsschub gebracht, die sich darüber freuten, dass wir so tolle Zwerge hatten.

 

Aber jetzt nochmal zurück zu unseren fünf „treuen Seelen“: Die Wiederaufnahmeproben mit den „Schnatterhühnern“ waren sehr anstrengend. Sie waren unkonzentriert und unsicher. Ich weiß, es klingt schräg, aber ich gab ihnen deswegen für die ersten Fünf Minuten nach Betreten des Theaters grundsätzliches Rede- und Kontaktverbot. Jede sollte erst mal zu sich kommen, anstatt sich mit den anderen zu beschäftigen: „Natürlich ist es schön, wenn ihr lacht und euch gut versteht. In diesem Falle verpulvert ihr eure Energie durch das ständige Gekichere.“ Lidia nahm sich das zu Herzen und die anderen zogen mit. Langsam entwickelte sich bei ihnen konzentrierte Arbeitsenergie und ihre Persönlichkeiten wurden klarer. Alina lernte es, ihre Rotkäppchen Rolle sehr glaubwürdig als pubertierender Trotzkopf zu verkörpern. Charlyns Performance explodierte und sie wurde von der grauen Maus zum Shooting Star. Und zwar auf eine ganz natürlich und nicht arrogante Weise. Sie wurde einfach enorm locker und durchlässig. Lidia merkte sich alle meine Vorgaben ganz genau und lernte diese so umzusetzen, dass es bei ihr ganz natürlich wirkte. Ihre Stimme, die vorher verschüchtert und monoton klang, füllte mit Macht den ganzen Saal. Jacob personifizierte den Spiegel mit unheimlich viel Humor und Lässigkeit, während Lukas als der Prinz einen Rap hinlegte (Und zwar Acapella) mit dem er das Publikum später zum Toben brachte.

 

Bei den letzten Proben hatten mich die Kinder schon überrascht, aber was sie dann bei den Aufführungen hingelegt hatten, haute mich richtiggehend aus den Schuhen

 

Zu den Grundschultheatertagen in der Jugendtheaterwerkstatt Spandau setzten alle, vom Schneewittchen bis zu Zwerg Nummer sieben, den Ereignissen noch mal die Sahnehaube auf. Es war nicht nur so, dass sie meine Regieanweisungen so verinnerlicht hatten, dass es gar nicht mehr nach Regieanweisungen aussah, sondern sie setzten in Mimik, Gestik und Rhythmus ein paar Dinger drauf, die ich gar nicht auf der Rechnung hatte. Sie machten intuitiv ihr eigenes Ding. Ein paar von den Zwergen musste ich zwar zum Ende noch „lauter coachen“, damit sie zu verstehen waren, aber dann ging das Feuerwerk richtig los. Und jede Aufführung wurde nochmal besser. Ich musste fast heulen, als ich sah, mit wieviel Kraft, Spielfreude, Persönlichkeit und Humor sie sich zeigten. Lidia sagte, sie war selbst von dem überrascht, was aus ihr rauskam.

 

Lukas wurde bei den Grundschultheatertagen am nächsten Tag von völlig fremden Schülern gebeten, nochmal seinen Rap vorzusingen. Erzieher und Lehrer von anderen Schulen gingen auf die Darsteller zu und überhäuften sie mit Lob und Anerkennung. Zuschauende Kinder bestürmten ihre Lehrer, dass sie auch so etwas machen wollen … Das war genau das Feedback, dass ich mir immer gewünscht hatte.

 

Meine drei vermeintlich „grauen Mäuse“ gaben noch tagelang auf dem Schulhof Autogramme.  Sie waren fassungslos über das was mit ihnen passierte und bedankten sich bei mir mit Tränen in den Augen.

 

Tja.  Am Ende dieses Schuljahres brachte ich noch eine andere Theater AG zu Ende, bei der es nicht annähernd so gut lief und ein Theaterprojekt mit einer sechsten Klasse, das mir phasenweise den Schlaf raubte. Dann sollte meine Zeit in Spandau beendet sein. Neustart in Neukölln. Bei Null wieder anfangen. Jede Schule ist anders.

 

Wenn du das Stück aufführen willst, nochmal ein paar kleine Tipps:

 

Die böse Königin als Großmutter verkleidet muss nicht im Bett liegen, während sie Rotkäppchen erwartet. Ich setzte sie an einen kleinen Tisch hinten rechts in der Ecke. Rotkäppchen betritt also das Haus und dort spürt sie eine unheimliche Atmosphäre. Sie ruft zweimal „Hallo“ dann erschrickt sie, als die „Großmutter“ laut ihren Tee schlürft und die Teetasse geräuschvoll absetzt. Rotkäppchen geht auf den Tisch zu und stellt die klassischen 3 Fragen. Damit spart man sich einen umständlichen Bühnenaufbau mit Bett.

 

 

 

Der „Spiegel“ muss nicht unbedingt einen Handspiegel dabeihaben. Er kann auch einfach der Spiegel SEIN. Jacob spielte ihn als sehr eitlen Spiegel, weil der Text ja sagt: „Sie besaß einen wunderschönen Spiegel.“ Da er für Lidia noch Zeit rausholen musste, damit sie sich umziehen konnte, präsentierte er sich dem Publikum indem er einen regelrechten Catwalk hinlegte. Nur eben mit ausgebreiteten Armen und übertriebenen Grinsen.

 

 

 

Hat man wenige Spieler, können der Spiegel, der Jäger und der Wolf noch als Zwerge Doppelrollen übernehmen. Kommt jemand später hinzu gibt der Spieler einfach den Zwergenpart an den Neuen ab und hat immer noch seine andere Rolle.

 

 

 

Bühnenaufbau generell: Absolut minimalistisch! Keine Leinwand mit Wald im Hintergrund keine Bäume. Nur die Requisiten mit denen wirklich gespielt wurde. Links und Rechts waren Vorhänge, die Möglichkeiten für seitliche Abgänge boten. Wer so etwas nicht hat, kann stattdessen Stellwände aufstellen. Ich arbeitete völlig ohne Fake - Türen und Kulissen. NUR mit dunklen Vorhängen hinten und an der Seite. Wer also geringe finanzielle Möglichkeiten für das Bühnenbild hat, mache sich bitte keinen Stress. Aus dem Text ergibt sich von allein, wo jemand herkommt und wo er hingeht. Auch der Zuschauersaal und der Platz vor der Bühne kann mitgenutzt werden. Meryxa und Lidixa können jederzeit an verschiedenen Stellen im Saal auftauchen. Nutzt die Möglichkeiten!

 

 

 

 

Hier noch ein paar Textauszüge aus dem ungekürzten Originalstück, inzwischen beim Deutschen Theaterverlag als „Zickenkrieg im Märchenwald“ herausgekommen:

 

 

 

Meryxa: Lydixa! Das ist mein Märchenwäldchen. Du hast hier nichts zu suchen. Jetzt wird Rotkäppchen vorgelesen.

 

Lydixa: Meine liebe Meryxa, ich fürchte, du hast dich verlaufen. Das hier ist eindeutig mein Märchenwäldchen. Und dort wird Schneewittchen und die sieben Zwerge vorgelesen.

 

Meryxa: Kein Mensch auf der Welt will Schneewittchen hören. Irgend so eine Tussi, die bei einem Haufen kleiner Zwerge die Putzfrau spielt.

 

Lydixa: Rotkäppchen kann einen Straßenköter nicht von ihrer Großmutter unterscheiden. Die ist voll dämlich. Lass mich lieber von Schneewittchen erzählen. Damit die Leute ihren Spaß haben.

 

Meryxa: Das ist kein Straßenköter, sondern ein Wolf. Aber das weißt du ja nicht, weil du nicht richtig lesen kannst.

 

Lydixa: Und du kannst dich nicht richtig waschen. Deswegen stinkt das ganze Wäldchen jetzt nach Straßenkötertussi.

 

 

 

 

 

 

Wolf: War das Essen nicht für deine Oma?

 

Rotkäppchen: Genau.

 

(Rotkäppchen trinkt vom Wein)

 

Wolf: War der Wein nicht ebenfalls für deine Oma?

 

Rotkäppchen: Genau.

 

(Rotkäppchen nimmt sich die Tageszeitung)

 

Wolf: Was liest du denn da?

 

Rotkäppchen: Den Tagesspiegel.

 

Wolf:(unternehmungslustig) Müssen wir nicht langsam weiter? Deine Oma wartet.

 

Rotkäppchen: Nö.

 

Wolf: (zum Publikum) Bei aller Liebe. Aber das dauert mir jetzt zu lang. Ich fresse sie hier und jetzt und warte gar nicht erst, bis wir bei der Oma sind.

 

(Rotkäppchen springt auf)

 

Rotkäppchen: Nein!

 

Wolf: Doch!

 

(Rotkäppchen schlägt wütend mit der Zeitung nach dem Wolf)

 

Rotkäppchen: Schneewittchen sei die Schönste im ganzen Land, steht da! Frechheit! Ich bin genauso schön. Und noch viel beliebter. (schlägt noch einmal mit der Zeitung nach dem Wolf)

 

Wolf: Autsch! Hör auf! Ich werde dich fressen!

 

Rotkäppchen: Wirst du nicht!

 

Wolf: Werde ich wohl!

 

Rotkäppchen: Du wirst Schneewittchen fressen.

 

Wolf: Häh?

 

Rotkäppchen: Die schmeckt viel besser.

 

Wolf: Im Ernst?

 

Rotkäppchen: Na klar. Ich hatte gerade erst schrecklichen Durchfall und musste mich ständig übergeben.

 

 

 

 

 

Schneewittchen: Hallo Stiefmütterchen. Schön dich zu sehen. Richtig gut siehst du heute aus …

 

Königin: Nicht doch!

 

Schneewittchen: … für dein Alter.

 

Königin: Du siehst aber auch nicht übel aus.

 

Schneewittchen: Dafür musste ich gar nichts tun. Ist das nicht toll?

 

Königin: Ja, wirklich!

 

Schneewittchen: (geht ab) Ich bin so schön, so schöööön, hihihihihi! (versteckt sich, um die Königin zu beobachten)

 

(Spot auf Lydixa und grünes Licht auf die wütende Königin)

 

Lydixa: Und der Neid und Hochmut wuchsen wie ein Unkraut in ihrem Herzen immer höher, dass sie Tag und Nacht keine Ruhe mehr hatte.

 

 

 

 

 

Königin: Na? Wer ist jetzt wohl die Schönste im ganzen Land?

 

Spiegel: Wahrscheinlich immer noch Schneewittchen. So schnell wird sie ja nicht verhungert sein.

 

Königin: Ja, ich weiß. Schon klar. Aber wenn sie endlich verhungert ist, wer ist dann wahrscheinlich die Schönste?

 

Spiegel: Wahrscheinlich Rotkäppchen.

 

Königin: Waaas? Wer zum Teufel ist Rotkäppchen?

 

Spiegel: Ein hübsches und sehr beliebtes Kind mit einem modischen roten Hut.

 

Königin: Beliebt ist sie auch noch? Ich mache sie fertig! Und was ist mit Dornröschen? Ist die etwa auch schöner?

 

Spiegel: Aber das mit Dornröschen ist doch nur ein Märchen.

 

 

 

 

 

Prinz: Nanu! Dort raschelt es. Was wird das sein? Ein Vöglein, ein Prinzesschen oder gar ein wildes Schwein?

 

(Der Wolf erscheint lächelnd mit umgebundenem Lätzchen)

 

Prinz: Ein Wolf! Verdammt! Ein echter Wolf! Ein verdammt echter Wolf! Echt! Ein verdammter Wolf!

 

Wolf: Hunger!

 

Prinz: Ist mir doch egal! Denkst du etwa, ich lade dich zum Essen ein!

 

Wolf: (lacht) Nein Mann, du bist das Essen.

 

Prinz: Soll das witzig sein, oder was? … äh … das war doch als Scherz gemeint … oder? … Ist auch egal. Ich geh denn mal. Guten Appetit noch. Vielleicht ein anderes Mal. Aaaaaaaah!

 

 

 

 

 

Zwerg 1: Wer hat auf meinem Stühlchen gesessen?

 

Zwerg 2: Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?

 

Zwerg 3: Wer hat von meinem Brötchen genommen?

 

Zwerg 4: Wer hat von meinem Gemüschen gegessen?

 

Zwerg 5: Wer hat mit meinem Gäbelchen gestochen?

 

Zwerg 6: Wer hat mit meinem Messerchen geschnitten?

 

Zwerg 7: Aaaaah! Da liegt was auf unseren Betten!

 

Zwerg 1: Ei, du mein Gott!

 

Zwerg 2: Ei, du mein Gott!

 

Zwerg 3: Was ist das Kind so schön!

 

Zwerg 4: Na ja, geht so.

 

Zwerg 7: Die soll sofort aus unseren Betten raus.

 

Zwerg 2: Jetzt lass sie doch in Ruhe schlafen.

 

Zwerg 3: Du siehst doch, dass die völlig fertig ist.

 

Zwerg 6: Jedenfalls ist die voll hübsch.

 

Zwerg 5: Find ich auch!

 

Zwerg 4: Ist sie gar nicht.

 

Zwerg 5: Du bist nur neidisch, weil du so hässlich bist.

 

Zwerg 4: Bin ich nicht. Ich bin der schönste Zwerg im ganzen Land!

 

Zwerg 2: Ich bin schöner als du.

 

Zwerg 3: Ich bin stärker.

 

Zwerg 6: Ich bin schlauer.

 

Schneewittchen: (wütend) Aaaaaaah!

 

Zwerge: Aaaaaaah!

 

Schneewittchen: Wie soll ich bei diesem Geplappere denn vernünftig schlafen?

 

Zwerg 1: Jetzt habt ihr sie aufgeweckt, ihr Plappermäuler.

 

Zwerg 2: Stimmt! Jetzt sieht sie wach aus.

 

Zwerg 3: Es gibt auch Leute, die im Schlaf reden.

 

Zwerg 4: Schöne Leute machen so was nicht. Ich finde sie hässlich.

 

Zwerg 5: Sie ist vielleicht wütend. Wenn man wütend ist, guckt man nicht mehr so hübsch.

 

Zwerg 6: Vielleicht ist sie ja hübsch, wenn sie schläft und hässlich, wenn sie wach ist.

 

Zwerg 7: Jedenfalls kann sie jetzt aufstehen und mich wieder in mein Bett lassen.

 

Schneewittchen: Aaaaaaaaah! Schweigt endlich!

 

 

 

 

 

Königin: Ich bin eine arme Bettlerin und alles was ich besitze, ist dieser wunderschöne, glänzende Apfel. Willst du ihn mir abkaufen?

 

Schneewittchen: Oh! Das trifft sich gut. Ich wollte gerade einen leckeren Apfelkuchen backen. Gib her!

 

Königin: Bitte sehr! (zum Publikum, händereibend) Hä hä!

 

Schneewittchen: Ach übrigens. Wärst du so lieb, mal in den Backofen hineinzuschauen, um zu prüfen, ob er schon ordentlich heiß ist? Ich will mir nicht mein Kleidchen schmutzig machen.

 

Königin: Aber natürlich. (zum Publikum, händereibend) Hä hä!

 

Schneewittchen: Er steht gleich da vorn an der Ecke.

 

Königin: (schaut in den Backofen) Schneewittchen! Warum hast du denn so einen riesigen Ofen?

 

Schneewittchen: (gibt der Königin einen Stoß) Damit ich dich besser backen kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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