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Die ersten Theaterproben

Wie ich die ersten Proben gestalte, hängt davon ab, ob ich gerade eine Theater AG oder ein Projekt mit einer Schulklasse leite. Projekte mit Schulklassen gehören zum Unterricht und sind für alle Schüler verbindlich. Da ist genug Zeit, um herauszufinden, inwieweit jeder Einzelne als Schauspieler eingebunden wird, oder lieber bei Ton, Licht und Requisiten hilft. Natürlich kann jeder der möchte auf die Bühne, jedoch hat manch einer eine verständliche Angst, sich zu zeigen und dann übe ich keinen Druck aus. Trotzdem rege ich auch die „Ängstlichen“ immer wieder an, sich zu trauen und versuche ihre Hemmschwelle zu senken. Z.B. indem ich sie ohne zuschauende Mitschüler auf die Bühne lasse, oder nur zusammen mit einer großen Gruppe in der sie nicht so auffallen.  Manchmal bin ich auch ihr direkter Spielpartner anstatt der Regisseur. Dadurch stehen sie nicht allein „Da oben“ im Rampenlicht. Vielleicht lasse ich auch den besten Freund mitmachen oder zuschauen. Ihren Freunden trauen sie oft mehr als den eigenen Eltern. Ich versuche sie mit etwas zum Spielen anzuregen, das ihnen aus ihrem Leben vertraut ist. Ist er ein Computer Nerd, dann bekommt er ein Laptop mit auf die Bühne. Wenn er dann etwas mit dem Laptop macht oder mit mir oder seinem Freund interagiert, lobe ich ihn für sein gutes Schauspiel und sage: „Ja, das ist es. Du kannst es doch!“ Diese Übungen dauern nur ein paar Minuten und bauen die Hemmungen schrittweise ab. Es muss immer klar sein, dass sie nicht vor Zuschauern auftreten „müssen“, wenn sie nicht wollen. Irgendwann findet man vielleicht den Schlüssel dazu, dass der „Ängstliche“ doch bereit ist, vor Publikum aufzutreten. Und dann hat jemand Selbstvertrauen getankt, der niemals freiwillig in die Theater AG gekommen wäre. Shawn war bei „Alltagsgeschichten“ mit dabei. Er war unglaublich introvertiert und stotterte, wenn er unter Druck war. Am Ende spielte er in zwei Szenen eine zentrale Figur. Diese kleinen Erfolge geben mir als AG Leiter das Gefühl, etwas bewirken zu können. Ich erreiche jedoch bei Weitem nicht alles, was ich mir für die Entwicklung der Kinder wünsche. Letztendlich kann ich nur mein Bestes versuchen, aber die Entscheidung, wie weit sie sich einlassen, treffen sie immer selbst.

 

 

 

Wer bei mir zur Theater AG kommt, hat drei Wochen Zeit, um herauszufinden, ob er dabeibleiben will. Dann wird die Teilnahme verbindlich. Das hat mehrere Gründe:

 

1.      Eine Theater AG mit abschließenden Aufführungen ist organisatorisch natürlich nicht umsetzbar, wenn die Mitspieler immer ein oder austreten können, wie sie gerade Lust haben.

 

2.      Theaterproben können zwar Spaß machen, sind aber auch anstrengend und manchmal frustrierend. Wenn man am Ende das Publikum beeindrucken will, muss man konzentriert arbeiten und den inneren Schweinehund überwinden. Viele Schüler sind es heutzutage nicht mehr gewohnt, um etwas zu kämpfen, sondern wählen lieber den Weg, der sich aktuell gut anfühlt. Das kann bedeuten, dass heute gerade das Wetter so schön ist und man lieber Fußball spielen will. Die Errungenschaften und Fortschritte der letzten Proben werden da völlig vergessen.  Mein Ziel ist es, dass möglichst viele bis zum Schluss durchhalten, um am Ende dieses besondere Gefühl der Wertschätzung zu erleben, wenn sie ihre Leistung vor dem Publikum präsentiert haben. Vielleicht ist das für den einen oder anderen ein Schlüsselerlebnis, das ihn auch im weiteren Leben dazu ermutigt, nicht aufzugeben, wenn etwas frustrierend oder anstrengend wirkt. Nicht jeder bleibt bis zum Schluss dabei und das ist eine schmerzhafte Erfahrung. Wenn jemand wirklich gehen will, dann lasse ich ihn auch gehen, ansonsten schade ich ihm, seinen Mitspielern und mir selbst.

 

3.      In einem Theaterprojekt sind alle aufeinander angewiesen. Das bedeutet, jeder geht eine soziale Verpflichtung den Mitspielern gegenüber ein. Wenn einer mittendrin abspringt, geht das zu Lasten der anderen, die sich auf ihn eingestellt haben und Zeit und Mühe in ihn investiert hatten. Ein sehr bildliches Beispiel ist es zu sagen: „Stellt euch vor es steht bei einem Fußballspiel 5 Minuten vor Schluss Unentschieden und der Torwart sagt, er habe jetzt keine Lust mehr und verlässt den Platz!“

 

Wenn alle interessierten Schüler bei der Theater - AG erschienen sind, komme ich mit ihnen ins Gespräch und lasse sie über sich erzählen:

 

-          Wer von euch stand schon mal auf der Bühne?

 

-          Wer hat schon mal Theater gespielt oder vor Publikum gesungen?

 

-          Wart ihr schon als Zuschauer im Theater? Wie war das? Hatte es euch gefallen? Wenn ja, was hatte euch gefallen? Wenn nein, was genau hatte euch nicht gefallen und wie hättet ihr das als Schauspieler gemacht?

 

-          Habt ihr irgendwelche Lieblingsschauspieler, Comicfiguren, Sänger? Wenn ja, wollt ihr mal vorspielen, wie der sich bewegt oder wie der redet? - Falls mehrere Schüler den Schauspieler kennen, sagen die vielleicht: „Warte, ich kann das besser!“ … und schon seid ihr in der ersten Schauspielübung. Sei als Anleiter immer wach und flexibel! Nehme Impulse der Kinder sofort auf und fördere sie.

 

-          Was sind eure Lieblingsfilme und Serien?

 

-          Hat jemand von euch ein Talent wie Tanzen, Singen, Beatboxen, Kampfsport? Wenn ja, hast du Lust, uns das zu zeigen?

 

Natürlich kann es auch sein, dass sie neugierig sind und jetzt unbedingt wissen wollen, was in der AG passiert und wann die Aufführungen sind. Dann sprechen wir erst einmal über Pläne und Ziele.

 

In dem Artikel „Entwicklung eines eigenen Theaterstückes – Stoffsammlung“, gehe ich auf verschiedene Möglichkeiten ein, ein eigenes Stück zu kreieren. Hier nur eine grobe Zusammenfassung von fünf verschiedenen Vorgehensweisen.

 

1.      Ich habe ein bestimmtes Thema mitgebracht und bitte die Schüler, ihre Ideen und Erfahrungen dazu zu äußern. (Themen: Streitigkeiten, Freundschaft, Lieblingsfilme etc.)

 

2.      Ich frage sie auf was für Themen sie Lust haben. (Zombies, Gangster, Außerirdische)

 

3.      Ich frage sie, was sie Lust haben auf der Bühne zu zeigen (Rappen, Tanzen, Actionszenen).

 

4.      Für begabte und kreative Gruppenzusammensetzungen: Ich mache keine langen Vorgespräche, mache ein paar Theaterübungen mit Ihnen und lasse sie improvisieren. Daraus entwickeln wir dann ein Stück.

 

5.      Ich habe ein fertiges Theaterstück für Schulkinder und biete es ihnen an. Besser ist es natürlich, den Schülern mehrere Theaterstücke anzubieten um sie entscheiden zu lassen, welches sie spielen. Es gibt mehrere Theaterverlage, die richtig tolle Theaterstücke gegen Gebühr zur Verfügung stellen. Wenn ihr also einen Förderverein habt oder die Schulleitung dir dafür Geld gibt, kannst du dir auch die Arbeit mit der Stoffentwicklung sparen und 150 bis 300 € für Aufführungsrechte und Texthefte investieren, je nachdem, wie viele Vorstellungen geplant sind. In eigener Sache platziere ich hier Links zu meinen Werken beim deutschen Theaterverlag. Da kannst du dir eine Leseprobe kostenfrei runterladen.

 

 

 

Hänsel und Gretel

 

 

 

Zickenkrieg im Märchenwald

 

 

 

Gangster, Girls und Rock`n`Roll

 

 

 

 

 

 

 

Wenn ihr euch für ein fertiges Theaterstück entschieden habt und noch auf die Zusendung der Skripte wartet, könnt ihr schon mit den heruntergeladenen Leseproben die ersten „Leseproben“ durchführen. Das bedeutet, du verteilst unverbindlich die Rollen und lässt die Schauspieler probe lesen. Nebenbei sammelst du erste Eindrücke für die Rollenverteilung. Um nicht ausschließlich am Tisch zu sitzen, nutzt die Zeit für ein paar interessante Theaterspiele und Schauspielübungen. Unter „Schauspielübungen und Theaterspiele“ beschreibe ich einige Übungen, die ich bei Fortbildungen der Gripps Werke und in meiner Schauspielausbildung mitbekommen habe.

 

Hier ein Link zu den Grips Werken Berlin, die viele Projekte an unserer Schule durchgeführt hatten und immer einen Super Job ablieferten.

 

 

 

http://www.gripswerke.de/veroeffentlichungen/index_veroeffentlichungen.html

 

 

 

Sobald ihr die Texte habt, geht es ans Proben und auswendig lernen. Zum auswendig lernen gebe ich dir demnächst noch ein paar gute Tipps in einem anderen Artikel. Spiele und Übungen kannst du immer wieder einbauen, um die Proben aufzulockern oder um vor den Proben, je nach Bedarf, die Ruhe und Konzentration zu steigern oder die Schauspieler aus ihrer Trägheit zu holen.

 

 

 

Kreiert ihr ein eigenes Theaterstück, ist es wichtig, eine gute Balance zwischen grünem Tisch und Bewegung auf der Bühne zu finden. Bei den ersten Treffen sind wir ja noch in der Phase, in der die Schüler entscheiden, ob sie überhaupt in der Theater - AG bleiben wollen. Deswegen biete ich ihnen einen möglichst vielfältigen Mix an. Zuerst einmal erschaffen wir am Tisch Ideen und Visionen zu dem, was wir machen wollen. Reden ist allerdings eine bequeme Angelegenheit und macht langfristig träge. Deswegen gehe ich spätestens nach einer halben Stunde mit allen Darstellern auf die Bühne und mache Theaterspiele. Nach zwanzig bis 30 Minuten setzen wir uns wieder für die Stoffsammlung zusammen und als Nächstes machen wir dann ein paar Schauspielübungen. Am Ende kommt dann eine kurze Feedbackrunde.  Durchaus möglich, dass jetzt schon die ersten zu dir sagen, dass es nichts für sie ist und sich verabschieden. Das ist vollkommen OK und normal und hat nichts mit dir zu tun. Theater ist nicht jedermanns Sache und es ist wichtig sich auf die zu konzentrieren, die es wirklich wollen. Denn wenn du die aus den Augen verlierst, während du versuchst, die „Halbherzigen“ zum Bleiben zu überzeugen, verlieren die „Motivierten“ auch noch die Lust. Solltet ihr „zu wenig“ sein und noch Mitspieler brauchen, dann frage sie, ob sie Freunde in der Schule haben, die vielleicht ins Team passen würden. Das hat immer wunderbar funktioniert.

 

Habt ihr genug Ideen gesammelt, dann geht es ans Schreiben der ersten Szenen. Ich schreibe möglichst schnell eine Szene, mit der wir dann anfangen können richtig zu proben, um die Motivation aufrecht zu erhalten, Dabei bekomme ich mit, wer seinen Text lernt und wieviel Text ich den jeweiligen Darstellern zumuten kann.

 

Die erste Szene muss Pfiff haben, frech sein und Lust auf mehr machen. Dann fügst du Szene um Szene hinzu. Manchmal wollte ich den Schülern alles erfüllen, was sie sich gewünscht hatten und schrieb viel zu viel. Dadurch hatte ich mir und ihnen viel Druck gemacht. Die Kinder haben oft keine Ahnung davon, wie viel Arbeit in einer einzigen Szene steckt. Deswegen schreibe ich jetzt immer eine übersichtliche Menge und sage ihnen, dass es mehr gibt, wenn sie alles auswendig gelernt und wir die Szenen ordentlich geprobt haben.

 

 

 

 

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