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Theaterpädagogik und Mobbing

Es ist schon sehr viel zum Thema Mobbing geschrieben worden und ich bin nicht so tief in die Materie eingetaucht, dass ich mir anmaßen würde an dieser Stelle neue Erkenntnisse zu veröffentlichen. Aber ich habe eine Meinung dazu und ein paar persönliche Erfahrungen gemacht. Und wenn du etwas dazu beisteuern willst, kannst du das gerne mit der Kommentarfunktion machen.  Blog ist Dialog!

 

Bei der ersten Betrachtung des Themas sehe ich das „anklagende“ Prinzip. Mobber sind böse und Gemobbte sind Opfer. Manchmal werden sie sogar von den Tätern in den Selbstmord getrieben. Das muss dann als Paradebeispiel dafür herhalten, um Kinder davor zu warnen, andere Kinder nicht zu mobben. In der Praxis ist es sehr schwer, herauszufinden, wann es sich um Mobbing handelt und wann um einen zeitweiligen Konflikt. Ich hatte in meinen Schulklassen schon Fälle von Ausgrenzung erlebt, an denen die „Opfer“ durch ihr Verhalten erhebliche Anteile trugen. Das bedeutet natürlich im Umkehrschluss, dass diese Kinder auch die Möglichkeit haben, sich aus der Situation heraus zu arbeiten - wenn sie es wirklich wollen.

 

Ein Beispiel eines Musters, dass ich besonders häufig beobachte, sind Kinder, die unterschwellig aggressiv und reizbar sind. Die anderen Kinder wissen das genau und sie wissen auch, welche Knöpfe sie drücken müssen um die „Opfer“ aus der Reserve zu locken. Und wenn sie dann endlich ausrasten, freuen sich alle über die Action und laufen zum Lehrer um zu petzen, dass „Anton“ schon wieder mal ausrastet.

 

Man muss die Kinder schon sehr gut kennen, um ihnen in solchen Situationen gerecht zu werden.

 

Ich persönlich hatte früher gerne den Klassenbesten (Den Streber) geärgert, weil er immer so eine piepsige Stimme bekam, wenn er sich aufregte. Das war sehr befriedigend. Ich hatte die Lacher auf meiner Seite und konnte auf diese Weise meine eigenen Minderwertigkeitsgefühle und Ängste überspielen.

 

·         Was kann man aber im Theater damit machen?

 

Im Theater kann man mit den Schülern ihre eigenen Mobbing - Mechanismen erforschen, ohne den Eindruck zu vermitteln, dass man sie „beschuldigt“. Sie spielen ja eine Rolle als „Mobber“ und können sich somit aus einer distanzierteren Haltung damit auseinandersetzen.

 

·         Was sind denn die Mechanismen beim Mobbing?

 

Die Mechanismen sind eng mit dem Nutzen von Mobbing verbunden.

 

-          Mobbing stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Man hat einen gemeinsamen Feind oder man kann sich gemeinsam besser und stärker als das Opfer fühlen.

 

-          Die eigenen Ängste vor Einsamkeit und Ausgrenzung werden durch Mobbing verdrängt.

 

-          Alle negativen Gefühle und Gedanken können auf eine Person projiziert werden. Dadurch bildet man sich ein, man hat diese „Zustände“ im Griff indem man das Opfer unterdrückt. Wenn das Opfer dann die Klasse verlässt oder ein paar Tage nicht da ist, tritt erst mal Erleichterung ein, weil das „Böse“ nicht mehr da ist. Schon nach kurzer Zeit übernimmt aber jemand anderes aus der Gemeinschaft diese Rolle und es geht wieder von Vorne los.

 

Was aber am Wichtigsten ist: Mobbing macht Spaß und ist erst einmal unheimlich befriedigend!

 

Und dass muss meiner Meinung nach unbedingt ans Tageslicht gebracht werden. Betone bei den Proben den Spaß, den die haben, die die anderen mobben!!! Moralisieren bringt meiner Meinung nach nichts. Ich glaube, wenn man den Spaß am Mobbing thematisiert und akzeptiert, dann sind die Schüler auch offener dafür sich mit den wahren Gefühlen des Opfers auseinanderzusetzen. Wenn ich als Pädagoge sage: „Ja, ich verstehe, dass Mobbing Spaß macht“ sind sie auch offener für die andere Botschaft: „Wie geht es dem Opfer?“ Dann haben sie die Chance „mitfühlender“ zu sein, denn sie sind nicht mehr damit beschäftigt ihre „moralisch verwerflichen Gefühle“ zu verstecken oder rechtfertigen.

 

Sie wissen: Ja! Irgendwie macht es Spaß, fies zu sein. Und sie wissen auch: „Wenn ich von anderen ausgegrenzt werde, fühle ich mich schrecklich.“

 

Wer weiß? Wenn sie das nächste Mal als Täter unterwegs sind, nehmen sie vielleicht bewusster die Genugtuung war, erinnern sich aber ebenfalls an die Gefühle, die die andere Seite gerade erleidet.

 

In meinen Theaterstücken hatte ich Mobbingsituationen nur angedeutet ohne dabei ein ausgesprochenes Mobbingdrama zu entwickeln. Es handelt sich also um Situationen „leichten Mobbings“ die aber trotzdem dafür herhalten können, miteinander ins Gespräch zu kommen.

 

 

 

Hier ein paar unkommentierte Szenen aus Theaterstücken in denen Mobbing thematisiert wird:

 

 

 

Zwei Ausschnitte aus Schlappköpfe und Angeber:

 

1.        

 

Pietro: Das ist Mobbing.

 

Selimhan lässt Mert los: Na und? (Nach einer kurzen Pause) Was ist Mobbing?

 

Pietro: Wenn man jemanden so stresst das er krank wird oder sich umbringt. Das kann schlimme Folgen haben, hab ich mal gehört. Mord und Totschlag.

 

2.        

 

Mert: Klappe Jihad!

 

Jihad: Schlappkopf, Schlappkopf!

 

Mert (Rastet aus): Ich bring dich um du Schwein.

 

(Jihad kreischt und lacht)

 

(Mert hinterher, beide hinter Trennwand. Hinter der Trennwand legen wir Matratzen hin, damit sie richtig springen können, Geschrei und Gequieke-Vielleicht zum Teil vom Band)

 

(Jihads Kopf erscheint kurz und er ruft): „Hilfe, lass mich leben!“ (Dann verschwindet er wieder und es rummst hinter der Bühne. Dann ist Stille.)

 

Pietro: Das war jetzt auch Mobbing.

 

Selimhan: Meinst Du Mert hängt sich jetzt auf?

 

Kasim: Nee, er hängt Jihad auf.

 

Selimhan. Ich glaube Jihad ist stärker. 10 Euro auf Jihad.

 

Pietro: Das ist nicht witzig Selimhan.

 

Selimhan: Ja, tschuldigung!

 

Kasim: Mert weint.

 

(Mert kommt weinend vor)

 

Selimhan: Warum?

 

Kasim: Lass ihn in Ruhe

 

Jihad (von hinten): Schlappkopf, Schlappkopf.

 

Pietro: Wenn ich der Geist wäre, würde ich mir als erstes Jihad schnappen.

 

Jihad (unsicher): es gibt aber keine Geister.

 

Kasim: Rachegeister schon.

 

Jihad: Tschuldigung, Mert … was ist denn mit Dir?

 

Mert: Ich kriege Bauchschmerzen, wenn jemand fies zu mir ist. (Jihad streichelt Mert den Bauch.)

 

 

 

Zwei Ausschnitte aus Affen und Außerirdische

 

1.        

 

Zoey:                    Wau! Toll! Und was noch?

 

Adidus:                Gedanken lesen.

 

Zoey:                    Was denke ich denn gerade.

 

Adidus:                Das du Morgen keine Lust hast zur Schule zu gehen, weil die anderen Kinder dich immer Affenkind nennen. Warum nennen die dich so?

 

Zoey:                    Weil ich in einem Zoo wohne und lieber mit den Tieren zusammen bin, als mit den anderen Kindern. Die Tiere sind nicht so gemein.

 

Adidus:                Ach Quatsch, sei nicht so selbstmitleidig. Du musst dich einfach mal gegen die wehren. Die sind bestimmt neidisch, weil du so viele Haustiere hast. Lade die doch mal in den ZOO ein.

 

Zoey:                    Na gut, wenn du meinst.

 

2.        

 

Leo:                       Riecht irgendwie komisch hier

 

Emi:                       Irgendwie nach Klo.

 

Leo:                       Oder Klomist.

 

Emi:                       Oder Affenmist.

 

Leo:                       Oder Pinguinkacke.       

 

Zoey:                    Haltet doch einfach mal die Klappe ihr verblödeten Zuckerschnecken.

 

Emi:                       Waaaas?

 

Leo:                       Das Äffchen sucht Ärger?

 

Emi:                       Wau, mutig!

 

Leo:                       Willst du frech werden?

 

Zoey:                    Nee, Püppchen, ich will dich Euch einladen. Hier! Freikarten für den Zoo.

 

                               Seid um 16:00 Uhr am Eingang, ich hole euch dann ab.

 

(Zoey geht ab.)

 

Leo:                       Äh, Danke.

 

Emi:                       Ja, nett.

 

Leo (ironisch): Ja, echt nett, das Affenkind.

 

Emi:                       Mann halt die Klappe. Ich glaube die ist in Ordnung.

 

Leo:                       Was? Willst du da echt hin?

 

Emi:                       Klar, ich war noch nie im Zoo. Traust du dich etwa nicht?

 

Leo:                       Ja, doch, klar.

 

 

 

Ein Abschnitt aus Alltagsgeschichten

 

Ami:                      Zu euren Gesichtern passen nicht alle Frisuren.

 

Haz:                       Was? Wir sind hässlich?

 

(Die Mädchen atmen ruckartig ein und dann gehen sie schimpfend auf Amira los. Improvisierte Texte)

 

Ami:                      STOP!

 

(Die Mädchen sind ruhig)

 

Ami:                      Ich habe doch nur gesagt, dass zu euren Gesichtern nicht alle Frisuren passen.

 

Haz:                       Frechheit! Habt ihr gehört wie diese Hässlichkeit uns beleidigt?

 

(Jetzt sagt jedes der Mädchen noch mal einen fiesen Satz zu Amira, dreht sich um und geht zurück zur Mitte der Bühne um sich dann mit verschränkten Armen aufzustellen.

 

Hier können die Schülerinnen sich eigene fiese Sätze ausdenken.)

 

Man: (Fieser Satz)

 

Ans: (Fieser Satz)

 

Van: (Fieser Satz)

 

Haz: (Fieser Satz)

 

(Nach jedem Satz sagen die anderen Mädchen): Genau!

 

(Amira fängt an zu weinen)

 

(Denis kommt um die Ecke)

 

Den:                      Hey Anesa, was ist denn los?)

 

(Amira (als Anesa) erzählt weinend, was passiert ist. Auch hier kann sie sich selber Text ausdenken.)

 

Den:                      Ey die haben Anesa fertiggemacht!

 

Mel:                      Was die haben Anesa verdroschen?

 

Fur:                       Haben sie die auch beschimpft?

 

Den:                      Ja, ich glaube die haben sie voll gemobbt.

 

Mel:                      Boa, gemobbt. Die spinnen doch.

 

Fur:                       Ja, und Anesa hat gar nichts gemacht.

 

Den:                      Sind die mies die Zicken.

 

Mel:                      Warum macht ihr so was?

 

Haz:                       Haben wir gar nicht, die hat angefangen.

 

Fur:                       Lügen tust du auch noch.

 

Den:                      Ja, die ist die Schlimmste.

 

Ans:                      Wir lügen nicht. Diese Hässlichkeit hat uns voll beleidigt.

 

Ami:                      hab ich nicht.

 

Mel:                      Warum beleidigt ihr die, ihr Krampen?

 

Den:                      Ja genau, ihr Mistnasen, wieso müsst ihr immer beleidigend werden.

 

Mel:                      Und andere mobben.

 

Fur:                       Ich glaube Hazal hat angefangen.

 

Den:                      Typisch Hazal.

 

Mel:                      Verschwinde bloß.

 

Fur:                       Ja, lass Anesa in Ruhe, du Putzi.

 

Den:                      Pupsi.

 

Ens:                       Was ist hier los? Was macht ihr mit den Mädchen?

 

Den:                      Die haben Anesa fertiggemacht.

 

Lehrer:                 Warum weinst du?

 

Ami:                      Ich habe nur gesagt, zu euren Gesichtern passen nicht alle Frisuren und die haben Hässlichkeit und so zu mir gesagt.

 

Ens:                       Hässlichkeit ist gemein.

 

Jungs (Im Chor):               Ja, genau.

 

Haz:                       Ja, aber …

 

Lehrer:                 Nichts aber, entschuldige dich.

 

Haz:                       Aber …

 

Ens:                       Entschuldige dich.

 

Alle Jungs:          Jetzt mach schon.

 

Haz:                       OK. Entschuldigung.

 

Ens:                       Das nehme ich dir nicht ab, sag es freundlicher.

 

Haz freundlicher:             Entschuldigung.

 

Ens:                       Entschuldigung wofür?

 

Haz:                       Das ich Hässlichkeit zu ihr gesagt habe.

 

Ens:                       Genau. Und weil du die anderen Mädchen aufgehetzt hast.

 

Haz:                       Habe ich doch gar nicht!

 

Ens:                       Also jetzt ist gleich genug. Weißt du was Mobbing ist?

 

                               Das ist nicht lustig, wenn alle auf einen losgehen.

 

Haz:                       Ja, tschuldigung fürs Mobbing

 

(Alle gehen ab)

 

(Die Jungs gehen an ihr vorbei und sagen nacheinander grinsend zu ihr): Ha Ha!

 

(Hazal redet zum Publikum)

 

Haz:                       Ok, also ich habe mir nicht gesagt: Hey, lass sie mal runtermachen! Ich dachte echt sie hatte uns beleidigt. Dann machten uns die Jungs runter. Dann der Lehrer. Aber Ich war eher wütend auf Anesa als auf die Jungs … na ja. Und Lehrer kapieren ja eh nie was los ist, weil sie eh immer kommen, wenn alles vorbei ist.

 

 

 

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