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Dokumentation Affen und Außerirdische

In dieser Dokumentation gehe ich intensiver als sonst auf die Phase der Stoffentwicklung und weniger auf den Probenprozess mit den einzelnen Kindern ein.

 

„Affen und Außerirdische“ entwickelte ich mit Viertklässlern im Rahmen einer Theater AG. Ich nahm mir bei den ersten Proben vor, genau aufzupassen, welchen Schülern ich die Theater AG zutraue und welchen nicht. Ehrlicherweise kann ich diese Aussage auch umdrehen und mich fragen, mit welchem Schüler ich mir zutraue, zusammen zu arbeiten und mit welchen nicht.

 

Zwei der Jungen störten fortwährend und konnten sich nicht auf die Übungen einlassen. Nach Rücksprache mit dem Bezugserzieher bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es nichts mit defizitärem Sozialverhalten zu tun hatte, sondern eher mit Wahrnehmungsstörungen. Sie waren sich ihres Verhaltens nicht vollständig bewusst. Da ich allein arbeiten musste und auch kein Integrationserzieher bin, bat ich meinen Kollegen, ihnen schonend beizubringen, dass die Theater AG nichts für sie ist. Keine leichte Aufgabe. Ansonsten waren noch zwei Mädchen dabei, die emotionale Probleme hatten und deswegen manchmal nicht bei der Sache waren oder aggressiv reagierten. Das konnte ich jedoch durch mein herkömmliches Erzieherwissen in den Griff kriegen. Ebenso das mangelhafte Sozialverhalten manch anderer Mitspieler. Entweder sind sie irgendwann motiviert genug um sich in den Griff zu kriegen, oder sie müssen gehen. Das gibt es in jeder Theater - AG.

 

 

 

Bei der Stoffsammlung musste ich kräftig aussieben. Durch den illegalen Zugang zu fragwürdigen Videospielen ist die Lust auf Kriegsspiele und blutrünstige Massaker inzwischen recht verbreitet. Diplomatisch brach ich das Bedürfnis nach Gemeinheit und Verbrechen auf ein kindgerechtes Maß herunter. Dabei nahm ich ihre Wünsche trotzdem ernst. Ich erklärte ihnen, warum wir bestimmte Dinge auf der Bühne nicht zeigen können und versprach ihnen, so viel wie möglich von dem umzusetzen, was sie cool fanden.

 

Beispiel:

 

Ed:                   Ich hätte auch Lust auf den Zoo.

 

Müc:               Kein Problem, ich bring uns rein.

 

Ed:                   Hast du Geld?

 

Müc:               Nee, ich mach ein Loch in den Zaun. Mein Papa ist Einbrecher. Der hat das ganze Werkzeug zu Hause rumliegen.

 

Ed:                   Alles klar, bis nachher.

 

Das ist zwar weit entfernt von einem blutrünstigen Massaker, aber cool genug, um sich damit gerne auf der Bühne vor den anderen zu zeigen. Außerdem hatten die Burschen genug Humor, um sich für die Slapstick - Szenen zu erwärmen, die ich später für sie einbaute:

 

(Müc und Ed aus dem Off.)

 

Ed:                   Aua!

 

Müc:               Ruhe!

 

Ed:                   Ich habe mich am Zaun gepikt!

 

Müc:               Jetzt halt die Klappe ... (Man hört ein Rumsen) Aaaah!

 

(Die beiden treten von der Seite auf)

 

Ed:                   Jetzt bist du aber laut!

 

Müc:               Mann, ja ... ich bin über was gestolpert, du Idiot!

 

Ed:                   Aber denn bist du ja selbst ein Idiot.

 

Müc:               Ruhe jetzt!!!

 

Die Mädchen hatten bei den ersten Impros mit Ausdrücken wie „Bitch“ und „Schlampe“ um sich geworfen. Auch das konnte ich entschärfen, ohne ihnen auch nur im Geringsten die Spielfreude zu nehmen.

 

Leo:                 Riecht irgendwie komisch hier

 

Emi:                Irgendwie nach Klo.

 

Leo:                 Oder Klomist.

 

Emi:                Oder Affenmist.

 

Leo:                 Oder Pinguinkacke.   

 

Zoey:               Haltet doch einfach mal die Klappe ihr verblödeten Zuckerschnecken.

 

Emi:                Waaaas?

 

Leo:                 Das Äffchen sucht Ärger?

 

Emi:                Wau, mutig!

 

Leo:                 Willst du frech werden?

 

Zoey:               Nee, Püppchen, ich will dich Euch einladen. Hier! Freikarten für den Zoo.

 

                        Seid um 16:00 Uhr am Eingang, ich hole euch dann ab.

 

Zoey bietet den „Mobbern“ die Stirn und entwaffnet die verblüfften Mädchen gleich darauf

 

mit einer Einladung in den Zoo. Auch hier fand ich einen Weg, die Lust auf Gemeinheiten mit

 

einem positiven pädagogischen Nutzen zu verbinden. Ich gebe ihnen also was sie wollen und

 

wir verwandeln es gemeinsam in etwas Positives. Auf keinen Fall sollten ihre Ideen während der Stoffsammlung verurteilt oder negativ bewertet werden.

 

Es blieben die Stichworte „Gangster, Tiere, Außerirdische, Zombies und Freundschaft, die wir als Arbeitsgrundlage zum phantasieren nutzten. Es kam in dieser Truppe eine geballte Menge an guten Ideen heraus. Am Ende musste aber der Darstellbarkeit der Szenen auf der Bühne Rechnung getragen werden und der Tatsache, dass nur begrenzt Darsteller zur Verfügung standen.

 

Da einige der Kinder gerne Tiere spielen wollten, bat sich ein Zoo als Thema an. Sollten die Tiere also klassisch von Außerirdischen für Experimente entführt werden? Und was wäre die Rolle der Gangster? Wie bauen wir Freundschaft ein? Moment! Ein Erdling könnte sich ja mit einem Außerirdischen anfreunden. Am Besten ein Kind … ein Kind, das im Zoo wohnt … und die beschützen gemeinsam die Tiere … vor den Gangstern. So kommt man allmählich auf eine gute machbare Story. In der Entwicklungsphase schreibe ich immer stichwortartig mit, was die Kinder an Ideen und Wünsche hereinwerfen und ergänze es mit eigenen Gedanken. Das Brainstorming - Dokument von „Affen und Außerirdische“ habe ich noch. Hier mal ein paar Auszüge von den ersten Vorschlägen der Kinder:

 

 

 

Wie im Grips Theaterstück Schnubbel: Junge wird bedroht und beleidigt und die werden nachher Freunde (Der Junge könnte ja „Die Schlacht vor Moskau spielen“ (Was ist Krieg? – Verbunden mit Film)

 

Simpsons

 

Carlitos Traum: Kleiner Junge im Kinderheim – Fußball

 

Film drehen - Dragon 2

 

Hänsel und Gretel (Gruselversion?)

 

2 Kinder fliegen in den Weltraum, weil Aliens kommen (Selbstausgedachte Geschichte, könnte ja weitergesponnen werden, ist auch eine tolle Geschichte für Jungen)

 

Sam & Cat

 

Zwei 16 - jährige Babysitterinnen machen eine Wette Können die Mädchen auch Kerle spielen? Welchen Trick wenden wir dafür an? Bei einer Folge gefiel den Mädchen nicht das Ende. Deswegen spielen sie jetzt eine andere Variante.

 

Verfolgungsjagd (Als Film?)

 

Kleiner Junge kommt aus dem Gefängnis und will ein neues Leben anfangen.

 

Ali: Was über Fussball

 

Mücahit: Fröhlich und Spaß

 

Arthur: Bösewicht

 

Edgar: Fröhlich, dramatisch

 

Böse: Teufel, Monster, Zombies, Skelette, Räuber (Schminken oder Masken basteln – was schlichtes Alienmäßiges)

 

Gangster: Überfall mit Waffen (Wie kriegt man das ohne Waffen hin?)

 

Wie kann man Gangster und Aliens verbinden?

 

2 Kinder reisen ins Weltall um eine Invasion zu verhindern.

 

 

 

Man sieht, in wie viele Richtungen es gehen könnte. Irgendwann muss man halt eine Entscheidung treffen und Ideen loslassen, selbst wenn sie klasse sind.

 

 

 

Jetzt gebe ich nochmal Einblick in verschiedene Problemstellungen, die sich im Verlaufe der Proben gezeigt hatten und wie ich damit umgegangen bin.

 

Ksenia und Almira waren SEHR, SEHR stille Mädchen, die kaum aus sich herauskamen. Auch bei der Ideenfindung kam nicht viel von Ihnen. Sie waren nicht faul oder dumm, sondern einfach nur sehr unsicher und hatten wohl nicht gelernt, dass sie auch mal laut sein dürfen (Im Gegensatz zu VIELEN, VIELEN anderen Schülern dieser Schule). Deswegen wollte ich sie was singen lassen und baute außerdem etwas ein, wo sie laut sein mussten: Sie sollten um Hilfe schreien, wenn die Gangster kommen. Als ich dies das erste Mal bei ihnen versuchte, wäre ich fast verzweifelt. Es kam nicht mehr als ein Piepsen heraus, so sehr wir uns auch bemühten. Deswegen baute ich folgenden Text ein:

 

Adidus:            Hört zu. Heute kommen zwei Gangster, die euch entführen wollen.

 

Pinguine (rennen durcheinander):   Aaaaaah! aaaah!

 

Adidus:            Keine Panik. Das schaffen sie nicht. Ihr müsst nur laut schreien, wenn sie kommen. OK? Könnt ihr das?

 

Pinguine:         Aaaaah! Aaaaah!

 

Adidus:            Lauter!

 

Pinguine:         Aaaaah! Aaaaah!

 

Adidus:            Lauter, noch viel lauter!

 

Pinguine:         Aaaaah! Aaaaah!

 

Adidus:            OK, sehr gut. Und wenn sie versuchen Euch mit Fisch zu bestechen dürft ihr nicht mitgehen, sondern müsst weglaufen, verstanden?

 

Am Ende des Jahres schafften sie es tatsächlich, laut genug zu sein. Hätte das nicht geklappt, dann hätte Adidus gesagt: „Na ja. Wie es aussieht, müssen wir unsere Ohren gut spitzen.“

 

Da die Pinguine auch bei den ersten Sing und Tanzversuchen einfach nicht aus sich herauskamen, baute ich das als Arbeitsunwilligkeit der Pinguine in den Text ein: Die Pinguine haben gar keine Lust zu singen und zu tanzen, aber sie wollen halt ihren Fisch und beißen dafür in den sauren Apfel. Da Menschen sowieso nicht verstehen was sie singen, drücken sie das auch im Text aus:

 

 

 

1. Tanzen find ich doof

 

2. und singen leider auch

 

1. doch wenn wir es nicht tun

 

2. dann gibt es keinen Fisch

 

1. dann kommt hier nix zu Essen auf den

 

2. Pi Pa Pinguin Tisch

 

1. dann kommt hier nix zu Essen auf den

 

2. Pi Pa Pinguin Tisch

 

1. Und darum zappeln wir herum

 

2. und singen auch so krumm Wir wollen

 

1. Fisch Fisch Fisch auf den

 

2. Tisch Tisch Tisch Wir wollen

 

1. Fisch Fisch Fisch auf den

 

2. Tisch Tisch Tisch Wir wollen

 

1. Fisch Fisch Fisch auf den

 

2. Tisch Tisch Tisch

 

Fiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiisch

 

 

 

Natürlich ging es mir auch darum, dass die, die Tiere spielen Sprechtext haben. Da bot es sich an, dass die Außerirdische Adidus die Tiersprache beherrscht:

 

Zoey:               Sag mal, was machst du da mit den Affen?

 

Adidus:            Ich rede mit Ihnen. Was sonst?

 

Zoey lacht:      Na klar. Dann frage sie mal, was es heut zum Mittagessen gab.

 

Adidus:            Was gab es Heute zum Mittagessen?

 

Al:                   Bratbanane mit Erdnussbutter!

 

Adidus:            Es gab Bratbanane mit Erdnussbutter.

 

Zoey:               Stimmt. Das konnten nur die Affen wissen. Hmmm. Was kannst du denn noch?

 

Adidus:            Ich kann die Laternen durch meine Gedanken flackern lassen.

 

 

 

Wenn man eine gute Lichtanlage hat, kann man das natürlich toll einsetzen, um die entsprechende Magie auf die Bühne zu bringen. Durch den Trick mit dem Flackern verunsichert Adidus auch später die Gangster:

 

(Das Licht fängt an zu flackern, Affengekreische)

 

Müc:               Was ist denn jetzt los?

 

Ed (ängstlich):             Geisterstunde!

 

 

 

Als Affen setzte ich die Kinder ein, die schon eine gewisse „Quirligkeit“ mitbrachten. Sie waren oft sehr unruhig, aber noch in einem Rahmen, in dem sie es auf Ansprache wahrnehmen und kontrollieren konnten. Die beiden Mädchen galten in ihrer Schulklasse als schwierig, legten sich in der Theater - AG aber eine gewisse Disziplin zu. Weil sie Theater spielen WOLLTEN!

 

 

 

Die Stelle, an der Die Affen durcheinander rennen und sich gegenseitig den Fisch zuwerfen, während die Gangster hinterherlaufen war sehr schwierig zu choreografieren. Die Gangster dürfen den Fisch ja nicht kriegen. Der VERSUCH ihn den Affen abzujagen muss aber glaubwürdig aussehen. Das wäre schon ein sehr hohes Schauspielniveau. Selbst für geübte Erwachsene. Deswegen setzte ich dort den Trick mit dem Flackerlicht ein. Das bringt noch zusätzlich Bewegung ins Bild und vertuscht choreografische Schräglagen. Am Ende brachte ich dann eine Pointe, die ich so ähnlich mal in einem Comicheft gesehen hatte. Die Gangster kämpfen gegenseitig miteinander und denken, dass sie mit den Pinguinen ringen:

 

 

 

(Licht aus)

 

Müc:    Halt still du Viech!

 

Ed:       Ich habe einen Pinguin, ich habe einen!

 

Müc:    Ja! ich auch, Aaaaautsch der beißt.

 

Ed:       Autsch, meiner auch.

 

Müc:    Aaautsch!

 

(Licht an)

 

(Müc und Ed halten sich umklammert und beißen sich gegenseitig in die Schulter)

 

Müc:    Lass los du Idiot!

 

Ed:       Selber Idiot!

 

 

 

Am Ende erfüllen wir auch noch den Zombiewunsch, indem sich die Mädchen als Untote verkleiden und die Gangster auf diese Weise verjagen.

 

 

 

Das Bühnenbild hatte ich, wie immer, schlicht gehalten. Als Zaun für den Affenkäfig und die Pinguine stellten wir einfach eine lange Bank hin, wie man sie aus den Sporthallen der Schulen kennt. Um die Pinguin- und Affenmasken kümmerten sich freundlicherweise die Klassenerzieher der entsprechenden Tierarten. Übrigens waren die Pinguine aus der 4a, während die Affen Schüler aus der 4b waren. Dadurch konnte ich die Kinder dann nach Absprache mal für „kleine Proben“ aus dem Unterricht rausnehmen. Diese „kleinen“ Proben sind enorm hilfreich für die Feinarbeit mit einzelnen Darstellern. Wenn alle gleichzeitig anwesend sind, kann man nicht so detailliert mit einzelnen arbeiten.

 

 

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