Vom Schauspiel zur Theaterpädagogik

Am 15. November 2010 kam der Anruf, der mein Leben verändern sollte. Im wichtigsten Casting meines Lebens bin ich endlich von jemandem mit Macht und Einfluss für gut befunden und angeworben worden. Auf diesen Augenblick hatte ich gewartet, seit ich Ende 2004 im gegenseitigen Einvernehmen von der Schauspielschule geworfen wurde. Zwischen diesen beiden Ereignissen lagen:

 

  •  Zahllose Absagen von großen, gut bezahlten Schauspielproduktionen der Bühne und des Fernsehens.
  • Einige Zusagen von kleinen, schlecht bezahlten Schauspielproduktionen der Bühne und des Fernsehens.
  • Mehrere ambitionierte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für arbeitslose Schauspieler sowie verschiedene Workshops und Schauspielkurse  die alles in allem mehr gekostet hatten, als ich jemals durch Schauspiel eingenommen hatte.

 

Der Anruf kam von der Schuldirektorin einer Grundschule im damaligen Brennpunkt Nord – Neukölln. Das vorhergehende Casting fand im Schöneberger Rathaus statt. Ich hatte einen Drei minütigen Soloauftritt vor 150 Schuldirektoren, die händeringend nach Erziehern für ihre Freizeitbereiche suchten. Da es mir vorher selten vergönnt war, vor einem so großen Publikum zu sprechen, fiel es mir schwer, das Mikrofon an den nächsten Bewerber weiterzugeben. Gerne hätte ich an dieser großen Bühne noch etwas vorgesungen oder einen Schwank aus meinem Leben erzählt.

 

Also wurde Ich als Erzieher gecastet und legte meinen Schauspieltraum erst mal auf Eis … so dachte ich. Denn ich fand eine Möglichkeit das Notwendige mit dem Inspirierenden zu verbinden. Gleich an meinem ersten Tag an dieser Schule wohnte ich einer Aufführung bei, die ein externer Schauspiellehrer mit einer Schulklasse in den vorhergehenden Wochen erarbeitet hatte: Romeo und Julia! Alle hatten sich unheimlich viel Mühe gegeben, aber es war einfach nicht interessant. Mit Romeo und Julia hätte ich wahrscheinlich auch nichts Interessantes auf die Bühne gebracht. Was hatten die Kinder mit Romeo und Julia zu tun? Was hatte Romeo und Julia mit Ihnen zu tun? Nichts! Wenn ich eine Theater AG mache, dann nur mit etwas, dass die Schüler auch interessiert. Und zwar so, dass es mich selbst auch interessiert. Ich habe später immer gegönnt, meinen ganz eigenen Humor mit dem zu verbinden, was die Schüler cool und witzig finden. Auf diese Weise kann man den Erzieherjob zum Traumberuf machen.

 

Die nächsten Jahre an der Grundschulbühne sollten zu einem abenteuerlichen Forschungsprozess werden, der vieles zu bieten hatte, was auch das Leben als Schauspieler bietet. Freude, Kreativität, Leidenschaft, Hingabe, Siege, Niederlagen, Verrat, Trauer, Wut, Verzweiflung, Hoffnung, Mut, Selbstzweifel und überraschende Wendungen.