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Dokumentation die Magierin vom Magistratsweg

In „Die Magierin vom Magistratsweg“ finden Kinder das Grab einer Magierin und erwecken sie ungewollt wieder zum Leben. Die Magierin will die Weltherrschaft erringen und Angst und Schrecken verbreiten, indem sie Menschen in Werwölfe und Riesenspinnen verwandelt und damit Angst und Schrecken verbreitet. Als sie heimlich beobachtet, wie Kinder auf einem Spielplatz „Die Prinzessin von Staaken“ spielen, hält sie „Sudenaz“ für eine echte Prinzessin und entführt sie, damit sie vom König Lösegeld erpressen kann. Die Freunde von Sudenaz beschließen, diese zu befreien und dem bösen Treiben der Magierin ein Ende zu setzen.

 

Wir gestalteten es so, dass die Kinder abwechselnd dem Publikum erzählen, was damals, als die Magierin aus dem Grab erwachte, passiert ist. Dann gehen die Kinder direkt zur „Rückblende“ über und spielen die Szenen. So geht es fortwährend hin und her zwischen Erzählung und gespielten Szenen.

 

Ich nutzte dieses Format, um auch ein bisschen Heimatkunde und Allgemeinwissen zu vermitteln. Die Handlung spielt in Staaken und findet an Orten statt, die den meisten Kindern bekannt sind. Die Erzähler beschreiben immer genau, wie man zu diesen Orten von der Schule aus hinkommt. Auf diese Weise lernen sie, wie man Wege beschreibt:

 

 

 

Tas: Kennt ihr den Bullengraben? Wenn man aus der Schule aus dem Haupteingang rauskommt muss man Links entlanggehen. Da kommt man dann an dem kleinen Basketballplatz und am Staakencenter vorbei und am Ende ist dann auf der linken Seite das Parkhaus. Da ist der Magistratsweg. Auf den Magistratsweg muss man rechts einbiegen. Dann überquert man die Ampelkreuzung und dann kommt man an einer Bushaltestelle vorbei und nach einer ganzen Weile ist auf der linken Seite so ein großer Skaterplatz. Und da ist ein Radweg, der den Magistratsweg kreuzt. Und neben diesem Radweg, da ist der Bullengraben. Genau an dieser Stelle, direkt neben der Straße haben wir es gefunden … Es war schon dunkel … und es war Nebel.

 

 

 

Dieser Monolog bietet eine tolle Herausforderung, um an Sprachmelodie und Ausdruck zu arbeiten. Zu Anfang beschreibt Tasnim ganz sachlich den Weg, jedoch ab „Genau an dieser Stelle, … redet sie mit einem unheilschwangeren Ton. Es war schon dunkel … und es war Nebel klingt richtig unheimlich. Dann wird das Licht dämmrig, der Vorhang geht auf und wer Glück hat, verfügt an dieser Stelle über Bühnennebel.

 

 

 

 

 

Wir entwickelten dieses Theaterstück in meinem dritten Jahr an der Christian-Morgenstern – Grundschule parallel zu „das verrückte Showrestaurant. 

 

Beim ersten Treffen war schon ein derartiger Mädchenüberschuss, dass die anwesenden Jungs, schneller als ich gucken konnte, die Flucht ergriffen. Zum Glück war Benny aus der anderen Theater AG gerne bereit auch in diese Gruppe mit einzusteigen. So hatten wir wenigstens einen Jungen dabei. Ansonsten gab es einen sehr interessanten Mix aus extrovertierten und introvertierten Mädchen. Und wir hatten Reyhan. Reyhan war intelligent und ausgeglichen und erwies sich später in der Rolle als Magierin als „stilles Wasser.“ Nachdem ich ihr Talent und ihre Ausstrahlung entdeckte, schrieb ich ihr einen dämonischen Monolog, mit dem sie ihr ganzes Talent zeigen konnte:

 

Wer Dunkelheit und Nebel macht,

 

und Gruseltag zur Gruselnacht,

 

verbreitet gerne Angst und Schrecken

 

und kann auch böse Geister wecken

 

               

 

Mein Zauberstab ist eine Waffe

 

mit der euch verwandeln kann,

 

in Werwolf, Riesenspinne oder Affe,

 

vielleicht bist du als nächster dran.

 

 

 

Erst hole ich mein Lösegeld

 

für dieses reiche Königskind,

 

und dann verzauber ich die Welt

 

bis alle meine Sklaven sind.

 

 

 

 

 

 

 

Die Ideensammlung war sehr deftig. Sie hatten zwar keine Einfälle für eine Geschichte, aber fast jeder hatte mehrere Wünsche zu irgendwelchen Figuren, die unbedingt vorkommen sollten: Riesenspinne, Zauberer, Mr. Bean, Detektive, Werwölfe, Prinzessin, Räuber, Monster. Wie sollte ich die alle unter einen Hut kriegen? Wir fingen also an zu phantasieren, was alles passieren könnte. Da kamen die abstrusesten Szenerien zusammen. Das Schöne war wirklich die Freiheit, mit der sie ihre Gedanken rausgehauen hatten. Die Kids hatten eine Neigung zum absurden Theater. Um dem gerecht zu werden, baute ich ein Schauspiel im Schauspiel ein: Die Protagonisten treffen sich am Spielplatz um „die Prinzessin von Staaken“ zu spielen. Und an dieser Stelle baue ich Mr. Bean, den Räuber und die Prinzessin mit ein … und Michelle als das Monster. Michelle wollte unbedingt ein Monster spielen, war aber das leiseste und introvertierteste Mädchen, dass ich jemals in einer Theater - AG hatte. Sie war die einzige, die trotz aller Bemühungen im ganzen Jahr nicht ein Dezibel lauter wurde. Sie redete auch immer sehr emotionslos und monoton. Deswegen lies ich sie in der Spielplatzszene als Monster ran. Hätten wir wirklich versucht, als echtes Monster zu verkaufen, wäre sie von allen ausgelacht worden. Ich habe die Texte für Michelle extra so geschrieben, dass das was sie sagt wie lakonischer Humor wirkt. Das passte im Endergebnis sehr gut. Außerdem musste ich ihr hinter der Bühne immer jemanden zur Seite stellen, der sie bei ihren Einsätzen rausschickt. Nach ein paar Wochen merkte ich, dass sie es sonst nie schaffen würde. Bis dahin hatte mich das auch einige Nerven gekostet. Dafür baute ich diese „Problematik“ nachträglich ins Stück ein und Sudenaz, als „Regisseurin“ durfte sich in ihrer Rolle damit herumärgern:

 

 

 

Sud:                      Ich bin so schön, so schön, so schöööööön!

 

Ola:                       Boa! Wir habens kapiert!

 

Sud:                      Du bist noch nicht dran!

 

Mic:                       Ich fresse dich jetzt!

 

Sud:                      Geh zurück, du bist auch noch nicht dran.

 

 

 

Und:

 

 

 

Sud:                      Jetzt reichts!

 

(Springt auf und versucht wegzulaufen)

 

Dai:                        Hierbleiben!

 

Mic:                       Ich fresse dich jetzt!

 

Sud:                      Noch nicht Michelle!

 

Mic:                       Oh Mann!

 

 

 

Sudenaz war die Extrovertierteste von allen. Sie wollte auch unbedingt immer alles bestimmen.

 

Oft unterbrach sie mich mitten in meinen Ausführungen und trieb mich zur Weißglut. Als ich

 

mal wieder einen weiteren Teil des Textes fertiggestellt hatte und den Schülern vortrug

 

passierte Folgendes:

 

 

 

Ich las: Hier in der Nähe gibt es einen Spielplatz. Wenn man aus der Schule aus dem Haupteingang rauskommt, muss man Rechts entlanggehen. Dann überquert man die Maulbeerallee …

 

Sudenaz rief (mal wieder) dazwischen:         Maulbeerallee! Da wohne ich! Ich wohne in der Maulbeerallee 65 (Zahl geändert)

 

Ich:                  Ruhe Sudenaz …  dann kommt man an eine Treppe und die geht man hoch und da ist der …

 

Sudenaz:         Der Pilzspielplatz! Den kenne ich! Da wohne ich! Ich wohne doch in der Maulbeeralle!

 

Ich:                  Sudenaaaaaz! …

 

 

 

Na ja. Dann baute ich diese Szene, so wie sie mit Sudenaz und mir passierte, in das

 

Stück mit ein:

 

 

 

Mic:       Hier in der Nähe gibt es einen Spielplatz. Wenn man aus der Schule aus dem Haupteingang rauskommt muss man Rechts entlanggehen. Dann überquert man die Maulbeerallee …

 

Sud:                      Maulbeerallee! Da wohne ich! Ich wohne in der Maulbeeralle 11518!

 

Tas:                       Pscht!

 

Mic:                       … dann kommt man an eine Treppe und die geht man hoch und da ist der

 

Sud:                      Der Pilzspielplatz! Den kenne ich! Da wohne ich! Ich wohne doch in der Maulbeeralle 11518!

 

Tas:                       Pscht!

 

Sud:                      Aber ich will jetzt auch mal! So! Beim Pilzspielplatz ist es passiert. Und ich war die Hauptperson in dem Drama. Ich bin nämlich eine schöne Prinzessin. Die schönste und wichtigste Prinzessin in ganz Staaken.

 

 

 

Kurzum, Ich schrieb ihr die Rolle auf den Leib. Zehn Tage vor der Premiere stieg sie aus. Der Frühling kam, das Wetter war wunderschön und sie wollte unbedingt mit ihren besten Freundinnen auf dem Hof spielen. Um das zu bekommen, zog sie sämtliche Register, die man von Fußballstars kennt, denen ein Engagement bei Real Madrid angeboten wird, obwohl sie noch einen Vertrag über 3 Jahre bei ihrem Stammverein haben. Olivia sprang für sie ein und der bisherige Text von Olivia wurde auf die anderen verteilt oder gestrichen. Olivia spielte die Prinzessin mit so viel Humor und Leidenschaft, dass ich mich fragte, wieso das nicht früher hätte passieren können. Ein Riesen Glücksfall! Ich hatte selten eine so leidenschaftliche Schüler Schauspielerin erlebt. Nach ihrer brillanten Premiere erfuhr ich, dass sie am Vortag krank wurde und sich mit Unterstützung der Mutter nur für die Aufführung in die Schule schleppte.

 

Wir wurden damals übrigens bei den Kostümen vom Kostümkreisel Berlin e.V. ausgestattet. Eine Einrichtung, die arbeitslose Näherinnen beschäftigte und kostenlos für Schulen und Jugendeinrichtungen Theaterkostüme nähte bzw. preisgünstig die passenden Kleidungsstücke einkaufte. Wie die meisten Einrichtungen, die zu schön sind, um wahr zu sein, wurde auch diesem Unternehmen im nächsten Jahr der Geldhahn zugedreht.

 

 

 

Theaterstück nachspielen? Klar geht das. Selbst wenn du in München wohnst und es dort keine Obstallee gibt. Die Orte müssen einfach geändert werden. Darin liegt auch der Reiz. Du kannst deine Schüler bitten, sich Orte in deiner Umgebung zu suchen, die sie selbst interessant finden und dann selbst die Wegbeschreibungen zu entwerfen. Aufgrund dieser Wegbeschreibungen sollten Leute den Weg finden können, auch wenn sie überhaupt keine Ortskenntnisse haben.

 

Das selbe gilt natürlich für die Namen der Protagonisten.

 

 

 

 

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